Bienenforschung muss public und postdisziplinär werden

Was interessiert Euch an Euren Bienen? Welche Geheimnisse konntet ihr Ihnen noch nicht entlocken? Was sagt das imkerliche Gefühl - und hat es Recht? Auch die nicht-imkernde Gesellschaft hat ein Interesse an Bienen und Bestäuberinsekten, denn sie bilden einen eindeutigen Bezug zwischen Menschen (selbst den in der Stadt lebenden, computeraffinen Individuen) und der natürlichen Umwelt. Und: Bienen sind anders. Und was anders ist, wirft Fragen auf. Zu welchen Dokumentationen, zu welcher Genauigkeit, zu welcher Auswertung habt ihr im Alltag zu wenig Zeit? Genau das sind die Fragen, die Eingang in die Wissenschaft finden müssen.

(c) Bundschuh 2017 - vgl. Selke, Stefan:  Die Suche nach der unbekannten Insel
(c) Bundschuh 2017 - vgl. Selke, Stefan: Die Suche nach der unbekannten Insel

Denn Forschung im Elfenbeinturm funktioniert schon seit Jahren nicht mehr. Die Alternative, eine "öffentliche Forschung", wie sie in vielen Disziplinen, z.B. in den Sozialwissenschaften, der Geographie und der Ethnologie seit einigen Jahren en vogue ist. Dieser "public turn", der aus dem englischsprachigen Raum viele unserer althergebrachten Disziplinen überflutet hat, funktioniert nur dann, wenn auch in den Instituten und den Naturwissenschaften "ohne Geländer" gedacht wird, wie schon Hannah Arendt es sich vorstellte. Und zwar nicht nur inhaltlich, sondern vor allem methodisch. Und um methodisch seine Geländer loszulassen - obwohl man sie doch so gut kennt - und auch andere Geländer zu sehen, dazu braucht es Mut. Echtes Grenzgängertum ist äußerst selten. Die Gefahren, die junge Wissenschaftlerinnen dabei auf sich nehmen, reflektiert Stefan Selke in seiner Rede auf der Tagung "Inter - Multi - Trans: Wissenschaftsförderung und Disziplinäre Grenzüberschreitungen". Er nennt das, was fehlt und im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriereplanung so schwierig ist, nicht aus den Augen zu verlieren, "Die Suche nach der unbekannten Insel".

Mein Wunsch ist, dass bei dieser Suche, die jeden Forschergeist bewegt, von Anfang an auf gemeinsames Vorankommen gesetzt wird. Und das gilt schon bei der Festlegung, an welchen Themen überhaupt geforscht wird. Diese Partizipation in der Anfangsphase hat aber einen Nachteil: Sie muss schon während der Projektentwicklung mitgedacht werden. Das "Denken mit fremden Gehirnen", wie Selke die Anstrengung einer Grenzgängerin nennt, braucht immer Zeit, Energie und Emphatie. Und vor allem der Faktor Zeit korreliert leider stark mit dem zu Projektbeginn noch nicht vorhandenen Faktor Geld, also der Bezahlung der denkenden Menschen. Aber: öffentliche Forschung sollte dem öffentlichen Interesse dienen. Und die Forschung an Bienen ist ein öffentliches Interesse - aber nur, wenn die Öffentlichkeit gefragt wird, welche Themen Bürger, Imkerinnen und Wissenschaftler interessieren. Und wenn die Ergebnisse auch ankommen. Das kann in Form von Blogs, Romanen, Vorträgen oder Kunst passieren. Jeder Weg, der diese Feedback-Schleife von Forschung und Gesellschaft fördert, ist wichtig.

Erst wenn Wissenschaft postdisziplinär wird, kann sie ihre transformative Kraft entfalten - und zu einer besseren Welt für uns und die Bienen führen. Weil wir dann mehr von dem wissen, was wir wissen wollen.


Selke, Stefan (2017): "Die Suche nach der unbekannten Insel". Beitrag im Rahmen der Tagung „Inter – Multi – Trans: Wissenschaftsförderung und disziplinäre Grenzüberschreitungen“, die von der Schader-Stiftung in Kooperation mit dem Arbeitskreis Wissenschaft und Forschung des Bundesverbands Deutscher Stiftungen am 1. Februar 2017 veranstaltet wurde. (online verfügbar am 1.3.2017)